Presse

Saarbrücker Zeitung, 10.11.1951
Kunstgewerbeausstellung in der Galerie van Hees
Text: Helga Cronauer
1948
Annemarie Scherer, St.Wendel
Es waren Schätze von großer Kostbarkeit, die wir anläßlich eines Besuches bei Frau Scherer bewundern konnten, und wir teilen mit vielen, die berufener sind als wir, die Meinung, dass die Künstlerin Annemarie Scherer viel zu zurückhaltend ist und sich zu bescheiden hinter der Kunstgewerblerin versteckt. Denn es waren Kunstwerke, die sie uns in reicher Fülle zeigte, Werke, die neben künstlerischer Phantasie und auserlesenem Geschmack Meisterleistungen an Präzisionsarbeit aufweisen. Wir sahen neben sehr modern gehaltenen Stickereibildern, Decken und Wandbehängen, die Stück für Stück eine gänzlich neue Idee der Schöpferin zeigten. Trotz der Vielseitigkeit der Gestaltungsformen spürt man bei jeder einzelnen Arbeit die gleiche behutsam-schöpferische Hand. Unerschöpflich scheint uns die Variationsgabe dieser Frau und wie sie uns selbst sagt, wird sie nie fertig damit, neue Kombinationen zusammenzustellen, Farben, Ideen und Material miteinander spielen zu lassen. Bemerkenswert erscheinen uns die Musterentwürfe für Kleiderstoffe, Teppiche, Gardinen und Tapeten. Eindeutig expressionistisch ausgedrückt, doch voller Klarheit, Wärme, Harmonie und überzeugend. Selbst der größte Skeptiker ließe sich unserer Meinung nach bei und von A.Scherer überzeugen, dass auch Expressionismus verständlich wird, Wärme, Leuchtkraft und Beziehungen zum Betrachter ausstrahlt, wenn bei seinem Schöpfer edler Geschmack und geistvolle Empfindung Voraussetzung sind.
Schon in der Schule entwarf Annemarie Scherer, eine Tochter des hiesigen Kunst- und Möbelschreiners Hassdenteufel, geschickte Handarbeitsmuster und vermied es nach Möglichkeit, die üblichen vorgedruckten Muster zu verwenden. Sie besuchte die hiesige Töchterschule und hegte als junges Mädchen schon den Wunsch, Architektin zu werden. Dies jedoch hatte eine abgeschlossene Schreinerlehre zur Voraussetzung. Leider war sie dieser Arbeit damals körperlich nicht gewachsen.Sie entschloß sich, die Kunstgewerbeschule in Saarbrücken zu besuchen und lernte unter der behutsamen Führung Professor Bauers und Professor Grewenigs ihre künstlerischen Fähigkeiten zu entfalten.
Weitere zwei Semester der Kunstgewerbeschule absolvierte die junge Kunstlevin in Offenbach (Main) und arbeitete anschließend als Volontärin in einem Kunstatelier in Hanau. In die Heimat zurückgekehrt, wirkte sie dann selbständig. Meist waren es Webereien, die sie entwarf und herstellte, immer mehr aber widmete sie sich Handarbeiten, die ihren künstlerischen Inspirationen und ihrem Können freien Raum geben.
1935 verheiratete sie sich mit dem Sattlermeister August Scherer, dem heutigen Inhaber der Firma Stroppel am Dom. Von zarter Gesundheit, hat Frau Scherer eine lange Zeitspanne von allem gesellschaftlichen Leben ziemlich abgeschlossen und nur ihrer schönen Kunst gelebt und alle Gedanken und Gefühle dieser stillen, verinnerlichten Zeit in ihren Arbeiten festgehalten.
Dadurch hat ihre Ausdruckskraft eine so große Reife erlangt, dass wir sie ohne Bedenken und mit Überzeugung “Künstlerin” nennen dürfen. Unter ihrer geschickten Hand entstanden Arbeiten mit aufaplizierten Filzkombinationen, grobes Leinenmaterial mit merkwürdig schönen Farbspielen, lustig bunte Stickereigestalten, fast an Filigran erinnernde zarte Linienvariationen auf Rohseide, bizarre, lautfarbige Vasenreihen als Wandbild, kubistische Stoffmuster, eigenartige Kobinationen von Material und Farben, bei denen das Wagnis der Idee so deutlich zu erkennen…. (restlicher Abschnitt nicht lesbar)